Donnerstag, 28. Juni 2018

J. F. FOURASTIE zur wachsenden Bedeutung des Dienstleistungssektors







J. F. FOURASTIE zur wachsenden Bedeutung des Dienstleistungssektors                                                                                              




                            GLIEDERUNG





1.                         Definition des Strukturbegriffes und des Strukturwandels in der Volkswirtschaft   



2.                         Das Fourastiésche Modell:



2.1.                      Definition der Übergangsperiode, des technischen Fortschritts und der Produktivität             



2.2.                      Die Einteilung der gesamten Volkswirtschaft in drei

                             Sektoren nach Fourastié



2.3.                      Der Einfluss des technischen Fortschritts

                            auf die gesamte Produktion und Beschäftigung



2.4.                      Die Bedeutung des individuellen Verbrauchs

                            im Fourastiéschen Modell



2.5•                      Die Entwicklung des Dienstleistungssektors innerhalb der Übergangsperiode              



2.6.                      Wie Fourastié die Zunahme des Dienstleistungssektors erklärt


2.6.1.                   "Der individuelle Hunger nach Tertiärem"



2.6.2.                   "Der kollektive Hunger nach Tertiärem"



3.                         Schlussbemerkungen




                                   Anhang

                        AI:      Literaturverzeichnis

                        AII:     Tabelle 1

                        AIII:   Tabelle 2

                        AIV:   Abbildung 2 und 3

                        AV:     Tabelle 3 und 4.




1.    Definition des Strukturbegriffes und des Strukturwandels in der Volkswirtschaft.

Innerhalb der Volkswirtschaft ist der Strukturwandel ein charakteristisches Kennzeichen sich entfaltender Entwicklungen, im Sinne einer Anpassung an sich wandelnde Rahmenbedingungen.

Wenn man von der allgemeinen Definition des Strukturbegriffes ausgeht, wobei "die Untergliederung einer inhomogenen Gesamtheit in vergleichbare Teile"[1] verstanden wird, dann bezeichnet man mit dem Begriff "Strukturwandel" die "Verschiebung, in der Proportion der Komponenten zu Abweichungen von der gleichmäßigen homogenen Entwicklung aller Teile"[2]. Die Aufgliederung der gesamten Volkswirtschaft in einzelne Wirtschaftszweige bzw. -bereiche ermöglicht eine Betrachtung des Strukturwandels unter verschiedenen Gesichtspunkten, z.B. als Veränderung der Anteile einzelner Bereiche an der Gesamtwertschöpfung, am Gesamtumsatz oder an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen einer Volkswirtschaft.

Weiterhin ermöglicht eine solche Aufgliederungs- und Betrachtungsweise eine Feststellung der globalen Entwicklungstendenz dieses Wandels, wobei saison- oder konjunkturbedingte Veränderungen nicht berücksichtigt werden dürfen. Die Anforderungs- und Fähigkeitsprofile der Beschäftigten werden durch die Zugehörigkeit eines Betriebes zu einem bestimmten Wirtschaftszweig bzw. -bereich sehr wesentlich geprägt. Sektorale Verschiebungen wirken sich deshalb immer auch auf Arbeitskräfte vielseitig aus[3]

2.    Das Fourastiésche Modell

2.1. Definition der Übergangsperiode, des technischen Fortschritts und der Produktivität.

Die Drei-Sektoren-Hypothese, die von ALLAN G.B. FISHER (1939), COLIN CLARK (1940) und JEAN FOURASTIÉ  (1949) dargestellt worden ist, drückt seit einigen Jahren den Versuch der Wirtschaftswissenschaftler aus, einerseits die Richtung des wie oben definierten Strukturwandels festzustellen, und anderseits eine Prognose darüber zu machen, was unserer heutigen industriellen Gesellschaft folgen wird. Zweck dieser Arbeit ist eine kritische Darstellung der Meinung von JEAN FOURASTIE über den Trend des sektoralen Strukturwandels und insbesondere des Dienstleistungssektors.

Was in der klassischen Wirtschaftswissenschaft keine Rolle spielt, nämlich die Zeit als historische Dimension, bildet im Fourastiéschen Modell ein sehr wesentliches Element[4].

Dies wird sofort fühlbar bei der Einführung von Fourastiéschen Begriff der Übergangsperiode und eines wirtschaftlichen Gleichgewichts vor und nach ihr (siehe noch dazu Anhang II).

Während der Übergangsperiode sollen alle Veränderungen vollzogen werden, unter dem Einfluss des technischen Fortschritts, (wie Abnahme des landwirtschaftlichen Sektors, Zusammenbruch der traditionellen Zivilisation, Industrialisierung der Gesellschaft, Anstieg des Einkommens und Wohlstandes), die einen sehr großen Teil der aktiven Bevölkerung eines Landes betreffen. Die Übergangsperiode ist somit der Zeitabschnitt, der das alte Traditionelle von dem neuen wirtschaftlichen Gleichgewicht trennt[5].

Was meint aber Fourastié mit "technischem Fortschritt"?

Als technischen Fortschritt versteht er die Anwendung neuer wissenschaftlicher Entdeckungen in der Produktion, deren Ergebnis an einem gleichzeitigen Anstieg der Gesamtproduktion und einer Einsparung an menschlichen Arbeitskräften gemessen wird[6]. Zweck der Anwendung des technischen Fortschritts ist nach Fourastié die Leistungssteigerung der menschlichen Arbeit. Diese Leistungssteigerung lasse sich durch die Produktivität der menschlichen Arbeit messen. Er definiert weiterhin die Produktivität der menschlichen Arbeit als ein Verhältnis zwischen Produktionsvolumen und Beschäftigung, wobei er die Beschäftigung als Verhältnis zwischen Konsum und Produktivität versteht, um die Produktion dem Konsum anzupassen, mit der Überlegung, dass  man produziere nur um zu konsumieren.

2.1.2. Die Einteilung der gesamten Volkswirtschaft in drei Sektoren nach Fourastié

Der technische Fortschritt ist auch das Abgrenzungskriterium, gemäß dem nach Fouristié die Wirtschaft in drei Sektoren aufgeteilt wird. Die Sektorenabgrenzung wird wie folgendermaßen vorgenommen:
  • primärer Sektor, mit mittelmäßigem technischem Fortschritt gekennzeichnet; hierzu gehört die Landwirtschaft.
  • sekundärer Sektor, mit starkem technischem Fortschritt, der dem industriellen Sektor entspricht.
  • tertiärer Sektor, mit sehr schwachem technischem Fortschritt. Er fasst alle übrigen Wirtschaftsbereiche zusammen, wie Handel, Verwaltung, Unterrichtswesen, die freien Berufe und eine große Zahl von Handwerksberufen so wie Justiz und Kirche.
Wichtig ist auch dabei für Fourastié, dass diese Klassifizierung der Waren und Dienstleistungen nach der Intensität  des technischen Fortschritts in dem Beruf, der sie hervorbringt, sehr oft identisch ist mit der ebenfalls sehr wichtigen Klassifizierung, die darin besteht, Produkte nach der Bedarfsintensität und -kapazität des Konsumenten einzuteilen[7] (siehe noch dazu Anhang III).



2.1.3. Der Einfluss des technischen Fortschritts auf die gesamte Produktion und Beschäftigung

Nach der vorangegangenen Definition des technischen Fortschritts und der Aufteilung der Wirtschaft in drei Sektoren nach dessen Intensität wird offenbart, dass im Fourastiéschen Modell nicht alle Sektoren des technischen Fortschritts gleichmäßig begünstigt werden, sondern nur die, in denen derselbe stärker ist, nämlich der primäre und der sekundäre Sektor. Die Gesamtproduktion steigt natürlich unter dem Einfluss des technischen Fortschritts, aber ihre Struktur erfährt in Bezug auf die Anteile der einzelnen Wirtschaftszweige und Sektoren an ihr eine tiefgreifende Veränderung zugunsten der Sektoren mit großem technischem Fortschritt. Dies erklärt auch partiell die Zunahme des Dienstleistungssektors nach diesem Modell; da nämlich der technische Fortschritt in Zweigen und Berufen dieses Sektors als sehr gering bis null angesetzt wird, übt er auch keinen Einfluss auf die Produktion dieses Sektors, dessen Güter und Dienstleistungen, wie es in den folgenden Kapiteln gezeigt wird, immer mehr nachgefragt werden.

Je mehr sich der technische Fortschritt in der Landwirtschaft durchsetzt, desto schneller steigt die Produktivität, und nachdem der primäre Konsum zunächst eine steigende Tendenz zeigt, erfolgt dann die Sättigung; infolgedessen muss die Beschäftigung abnehmen. Im sekundären Sektor wird zunächst wegen des großen und dringlichen Bedarfs an Arbeitskräften eine stärker steigende Tendenz festgestellt als im tertiären Sektor. Aber nach einer bestimmten Zeit wird der technische Fortschritt so stark wirksam, dass obwohl die Nachfrage ständig wächst, die Beschäftigung abnehmen muss (siehe noch dazu Abbildung 1 weiter unten)



2.1.4. Die Bedeutung des individuellen Verbrauchs im Fourastiéschen Modell.

Fourastié behauptet durch seine "natürliche Struktur des wachsenden Verbrauchs", dass bei steigendem Einkommen der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel u. ä. in demselben immer kleiner wird, dagegen der Mensch immer mehr tertiäre Güter und Dienste in Anspruch nehmen wird[8].

Er führt zwei Tabellen an (siehe dazu Anhang V) um zu zeigen wie sich die Verbrauchsstruktur unter der Wirkung steigenden Einkommens ändert, und wie die Verbrauchsstruktur der einzelnen Einkommensschichten aussieht.- Dort zeigt sich eine eindeutige Tendenz zur Sättigung des primären Verbrauchs, die sich nicht nur auf den primären Sektor beschränkt; sie ist auch im sekundären Sektor zu beobachten, jedoch in geringerem Ausmaß.

Die Genauigkeitsgrenze dieser Tabellen liegt sehr niedrig (bei rund 10%); die Ergebnisse aber dieser Untersuchungen, dass  sich nämlich bei steigendem Einkommen die Güter- und Dienstleistungsnachfrage von Produkten mit niedrigen zu Produkten mit höheren Nachfrageelastizitäten verschiebt, werden auch von neueren und genaueren empirischen Untersuchungen bestätigt[9].

Was aber heute fraglich ist, ist das Ausmaß des Einflusses der Ausgabenstrukturen der privaten Haushalte auf die Produktionsstrukturen der gesamten Volkswirtschaft. Gerade in kochentwickelten Wirtschaften, die mit einer zunehmenden Arbeitsteilung und Spezialisierung, einer immer weiterreichenden Produktionstiefe und einer ständigen Verbreitung der intersektoralen Verflechtungen gekennzeichnet sind, wird die Bedeutung des oben genannten Einflusses immer geringer. Wenn nur der Konsum der privaten Haushalte betrachtet wird, könnte man annehmen, dass dieser nichts anderes erklärt, als den Lebenszyklus der Produkte auf dem Weg vom Luxus- zum Massengut. Höhere Einkommenselastizitäten der Ausgaben der privaten Haushalte für Dienstleistungen als für Industrieerzeugnisse erlauben schließlich keine Aussagen über das Verhalten der übrigen Endnachfrager[10]

Außerdem wird im Fourastiéschen Modell kaum die Bedeutung der Auslandsnachfrage berücksichtigt. Dabei muss man bedenken, dass unter den hochentwickelten Ländern die internationalen wirtschaftlichen Verflechtungen um so größer sind je kleiner das Land ist, und darüber hinaus der Anteil der Auslandsnachfrage an der Gesamtnachfrage des betreffenden Landes ( deshalb ist die internationale wirtschaftliche Verflechtung der Bundesrepublik Deutschland viel höher als die der USA).

Änderungen in den internationalen Austauschbeziehungen beeinflussen die inländische Strukturbildung wesentlich. Aus diesem Grunde wird für eine Diagnose des Strukturwandels die Berücksichtigung sowohl der Auslandsnachfrage wie auch der internationalen Austauschbeziehungen (insbesondere seit Freigabe der Wechselkurse) unerlässlich[11].

2.1.5. Die Entwicklung des Dienstleistungssektors innerhalb der Übergangsperiode.

Nach allen vorangegangenen Überlegungen stellt sich Fourastié die Entwicklung der in drei Sektoren aufgeteilten aktiven Bevölkerung wie auf der folgenden Abbildung vor:


      Abb. 1: Die Beschäftigung der Erwerbstätigen in den drei Sektoren
Entworfen und gezeichnet von Jean Fourastié: Gesetze der Wirtschaft von morgen,
1. Auflage ins Deutsche übertragen von Fildegard Krage Düsseldorf und Wien 1967, S. 216.

Diese graphische Darstellung zeigt, dass die erwerbstätige Bevölkerung zunächst aus der Landwirtschaft vertrieben wird, dann aufgrund der Produktivitätssteigerung in den verschiedenen Industriezweigen auch aus der Industrie.

Gerade dieser Beschäftigungsrückgang hat sinkende Preise und eine steigende Kaufkraft zur Folge. Die erwerbstätige Bevölkerung findet Aufnahme im tertiären Sektor, wo sich gegenwärtig aber auch nicht in der fernen Zukunft eine Saturierung der Bedürfnisse ankündigt. Im Gegenteil, je mehr sich in einem Land der technische Fortschritt durchgesetzt hat, um so knapper und teurer sind die Güter des tertiären Sektors.

Fourastié unterscheidet innerhalb der Übergangsperiode drei Phasen[12] (siehe noch dazu Anhang IV und Anhang II):
  • In der STARTPHASE wächst die Zahl der Beschäftigten im sekundären Sektor wegen des Bedarfs zum Bau der ersten Maschinen, die von Menschenhand gebaut werden mussten. Dafür mussten Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft abgezogen werden. 

  • In der EXPANSIONSPHASE offenbaren sich die Auswirkungen des inzwischen in Landwirtschaft und Industrie angewendeten technischen Fortschritts vielseitig:

    • Die Zahl der sekundären Beschäftigten wächst nicht mehr. Darüber hinaus besteht keine Notwendigkeit mehr zum Abzug von Arbeitskräften aus der Landwirtschaft.
    • Es gibt in keinem Wirtschaftszweig Überfluss an Arbeitskräften, sondern überall nur mehr Zuwachs.
    • Die Vollbeschäftigung in Zusammenhang mit der Massen­produktion und den neuen Konsummöglichkeiten bewirkt einen ständigen Anstieg des Lebensstandards[13]
  • Die ABSCHLUSSPHASE  ist mit der drastischen Verringerung der Zahl der in der Industrie (sekundären) Beschäftigten gekennzeichnet, wahrend. der Anteil der tertiären Beschäftigten immer weiter zunimmt.

Fourastié schätzt, dass die Zunahme der Beschäftigten im tertiären Sektor nicht auf 100%. der aktiven Bevölkerung steigen kann, da unter den besten Voraussetzungen und Annahmen immer noch einige Menschen in Landwirtschaft und Industrie bleiben müssen, um mindestens die Maschinen zu bedienen. Er schätzt also, dass der Anteil der im primären und. im sekundären Sektor beschäftigten aktiven Bevölkerung insgesamt 20% einnimmt, 10% jeweils, ohne diese Grundtendenz zu verändern, auch wenn wir statt 10%o, 5% annehmen würden. Es bleibt also ein Anteil für die tertiären Beschäftigten, der maximal bei rund 80% liegt. Wenn die Zahl der tertiären Beschäftigten sich in einer großen Nation diesem Wert von 80% , nährt, ist die Übergangsperiode beendet.



2.1.5.1. Wie Fourastié die Zunahme des Dienstleistungssektors erklärt.

Fourastié sieht die Abwanderung aus Berufen des primären Sektors in Berufe des tertiären Sektors, gepaart mit einer tiefgreifenden Wandlung innerhalb der Berufe der beiden Sektoren und mit einer raschen Erhöhung der beruflichen Qualifikation und. der Technisierung einhergehen.
Die Abwanderung in qualifiziertere Berufe ergibt sich nach Fourastié aus zwei Gründen: einmal, weil im Durchschnitt die Berufe des tertiären Sektors größere Berufskenntnisse voraussetzen als die des sekundären und des primären Sektors und weil in jeder Berufssparte die Arbeit "wissenschaftlicher" wird.

Er betrachtet die Entwicklung der drei Sektoren am Beispiel des fortgeschrittensten Landes seiner Zeit, der Vereinigten Staaten von Amerika, und stellt fest: während in diesem Land eine gewisse Tendenz zur Sättigung an sekundären Gütern zu beobachten ist, gibt es nicht die geringste tertiäre Sättigung. Zur Erläuterung dieses Phänomens nennt Fourastié zwei Gründe[14]:



2.1.5.1.1. "Der individuelle Hunger nach Tertiärem"

Dieser erste Grund bezieht sich auf das Verhalten des Individuums während und nach der Übergangsperiode.

Nach einer Zeit unmäßigen sekundären Konsums und täglicher Arbeit, merkt der Mensch irgendwann, dass er wenig Zeit hat diese Güter, die er gekauft hat, auch zu genießen oder zu benutzen. So beginnt er immer mehr Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, um Zeit zu sparen. Dabei muss man noch bedenken, dass die Kaufkraft des durchschnittlichen Menschen nicht unbegrenzt ist, er also für die Inanspruchnahme eines tertiären Dienstes auf einen nicht so notwendigen sekundären Konsum verzichten muss.

Dagegen bleiben Dienstleistungen aus Berufen des tertiären Sektors gefragt, gleichgültig, ob es nun darum geht, dass die Milch ins Haus geliefert werden soll, oder ob es sich um Schulbildung, Touristik, um Kinos oder Symphoniekonzerte handelt. Je reicher er wird, um so mehr steigt auch sein Bedarf an Dienstleistungen; denn Dienstleistungen schenken dem sich unter Zeitdruck befindenden Menschen Zeit, z.B. bei der Lieferung von Waren ins Haus oder bei der Inanspruchnahme einer Haushaltsgehilfin.

Dazu muss man noch rechnen, dass er eine gute Bildung für sich und. seine Kinder fordert, und seinen persönlichen Geschmack verfeinert, wie z.B. keine Konfektionskleidung mehr, guten Wein usw.



2.1.5.1.2. "Der kollektive Hunger nach Tertiärem"

Dieser zweite und wichtigere Grund bezieht sich auf das Verhalten der gesamten Volkswirtschaft in ihren verschiedenen Institutionen und Wirtschaftszweigen gegenüber der sich aus dem technischen Fortschritt ergebenden Situation. "Der technische Fortschritt entspringt aus der wissenschaftlichen Arbeit und seine Verwirklichung erfordert ge­dankliche Vorbereitung, Organisation und Planung der industriellen Aufgaben... Bei manuellen Beschäftigungen ermöglicht der technische Fortschritt durch die Verwendung mechanischer Energie eine starke Erhöhung der Produktivität. In den geistigen Berufen wurden hingegen keine wesentlichen Fortschritte gemacht; trotz Telefon, Schreib-, Buch­führungs- und hochentwickelten Rechenmaschinen braucht man heute ebenso viel Zeit (und im allgemeinen sogar mehr) als früher, um einen Fall zu klären, Arbeitsplätze aufzustellen, Personal einzustellen, Aufgaben abzugrenzen und ein Geschäft oder eine Rechtssache vorzubereiten"[15].

Fourastié stellt sich die zukünftige Produktion als einen sehr komplizierten Mechanismus vor, in dem ein erdrückend großer Teil der Beschäftigten zur Beobachtung, Vorbereitung, Planung und Forschung benötigt wird, während eine kleine Zahl von Arbeitskräften sie ausführen wird. Er berechnete, dass im Jahre 1948 die Wirtschaft der USA 50% ihrer aktiven Bevölkerung im tertiären Sektor beschäftigte und hatte folgenden Gedanken[16]:

Wenn die Produktivität konstant bliebe, dürften die USA nicht hoffen, dass sie ihre tertiäre Produktion in der Zukunft verdoppeln könnten, weil sie sonst die Gesamtheit ihrer aktiven Bevölkerung in den tertiären Sektor versetzen müssten. Das Meiste, das erreichen könnten, wäre eine Steigerung des Anteils der tertiären Beschäftigten auf 80-höchstens 90% der gesamten Beschäftigten, um somit eine entsprechende Erhöhung der tertiären Produktion zu verwirklichen, da der geringe technische Fortschritt in diesem Sektor keine drastische Produktivitätssteigerung bewirken kann, die erst mal die Zunahme der Beschäftigten dieses Sektors anhalten und eventuell später sogar senken könnte (wie es z.B. der Fall im industriellen Sektor ist). Er rechnet jedoch mit einer langsamen Aufbesserung der tertiären Arbeitsproduktivität, schließt aber auch in den reichsten Ländern eine Verdoppelung der damaligen (1948) Arbeitsproduktivität und eine Vervierfachung der damaligen tertiären Produktion vor dem Jahre 2000 aus, unter der Voraussetzung, dass die Arbeitszeit nicht verkürzt wird. Im Hinblick aber auf den individuellen Verbrauchsbedarf im Jahre 2000 wird von Fourastié eine Vervierfachung der dem einzelnen Verbraucher zur Verfügung stehenden Menge an tertiären Gütern und Diensten als lächerlich wenig bezeichnet Er hält sogar die Annahme nicht für übertrieben, dass eine Sättigung an tertiären Gütern und Dienstleistungen nicht vor einer Verzwanzigfachung des tertiären Verbrauchs zu erwarten ist.



3. Schlussbemerkungen
Aus den letzten Fourastiéschen Überlegungen geht deutlich hervor, dass es in der Zukunft zu einem Engpass wegen der Knappheit der tertiären Güter und Dienstleistungen im Vergleich zu ihrer Nachfrage für die Menschheit kommen soll; außerdem soll der zukünftige Wohlstand gefährdet sein, wegen der außerordentlichen Steigerung der tertiären Preise.

Heute werden die Vorstellungen von Fourastié wie auch seine Einteilung der Wirtschaft in drei Sektoren nicht vorbehaltlos akzeptiert. Die Kritikpunkte setzen vor allem bei der Zuordnung der Wirtschaftszweige zu den einzelnen Sektoren gemäß dem gestellten Abgrenzungskriterium ein; es gäbe nämlich danach auch Bereiche, die einen technischen Wandel erleben, die früher nicht betroffen wären.

Aus diesem Grunde kämen die innerhalb der Sektoren stattfindenden umfangreichen differenzierten Strukturverschiebungen, wie z.B. Veränderung der Betriebsgrößen, der Erwerbstätigenstruktur, der Güterproduktion und der Wertschöpfung, nicht zum Ausdruck.

Insbesondere halten aber viele Kritiker die Abgrenzung des Dienstleistungssektors für unhaltbar:

Sie meinen, dass Fourastié die Innovation der Mikroelektronik und Informationsbearbeitung nicht vorhersehen konnte und deshalb einen Dienstleistungssektor definiert hat, der die Informationsbearbeitung umfasst. Aus diesem Grund wurden im Rahmen einer OECD- Aktivität Überlegungen angestellt, auf der Basis der Definition eines "Informationssektors" einen vierten Sektor zu definieren. Für die Bundesrepublik Deutschland liegt ein Arbeitspapier vor, in dem für das Jahr 1976 der Anteil der Erwerbstätigen, die dem Informa­tionsbereich zugeordnet werden können, bei etwa 38% lag[17].

Außerdem seien auch im primären und sekundären Sektor Dienstleistungsberufe zu finden, die heute noch nicht statistisch ausgewiesen werden, obgleich sie dem tertiärem Sektor zugeordnet werden müssten.

Es ist zwar richtig, dass Fourastié immer wieder den einzelnen Sektoren bestimmte Wirtschaftszweige zuordnete, doch betonte er ausdrücklich, dass es sich hierbei um keine katalogisierte Aufzählung handelt, sondern um eine Vereinfachung der Darstellungen und Erläuterungen[18]. Für ihn ist ausschließlich der technische Fortschritt für die Einordnung eines Wirtschaftszweiges maßgebend, d.h. die Inhalte der einzelnen Sektoren sind im Zeitablauf veränderlich[19]. Fraglich ist allerdings unter dem Gesichtspunkt eines derartigen technischen Fortschritts die Prognose von Fourastié bezüglich der zukünftigen Entwicklungstendenz: Mit dem Eindringen der Mikroelektronik in viele Wirtschaftsbereiche, die er damals dem tertiären Sektor zuordnen konnte, könnten die Beschäftigtenanteile in der tertiären Zivilisation von den antizipierten Strukturen deutlich abweichen.








Anhang I

Literaturverzeichnis



DOSTALI WERNER: Bildung und Beschäftigung im technischen Wandel. Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Beitrag 65. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit; 2. Auflage, Nürnberg 1983; S. 28 - 33.

FOURASTIE, JEAN: Die große Hoffnung des zwanzigsten Jahrhunderts. 3. Auflage ins Deutsche übertragen von B. Lutz, Köln/Deutz 1954.

FOURASTIE, JEAN: Gesetze der Wirtschaft von morgen.
1. Auflage ins Deutsche übertragen von Hildegard Krage, Düsseldorf und Wien 1967.

FOURASTIE, JIAN: Die 40.000 Stunden. Aufgaben und Chancen der sozialen Evolution.
1. Auflage ins Deutsche übertragen von Hildegard Krage. Düsseldorf und Wien 1966.

KLAUDEL, WOLFGANG; G. KÜHLEWIND; P. SCHNUR; M. THON: Mittel- und längerfristige Arbeitsmarktprojektionen des  IAB (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: Beitrag 16). Herausgeber: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit (IAB) Nürnberg 1977. S. 89 - 126.

KUZNETS, SIMON: Economic growth of nations. Total Output  and production structure. Cambridge/Mass 1971. S. 144 - 148 und 250 - 253.

NIEHANS, J.: Strukturwandlungen als Wachstumsprobleme, in: Neumark, F. (Hrsg.): Strukturwandlungen einer wachsenden Wirtschaft (Schriftenreihe des Vereins für Sozialpolitik, Band 30/I), Berlin 1964. S. 18 - 45.

STARK, J: Sektorale und regionale Strukturwandlungen und Strukturpolitik, in: Stark, J./Doll, M. (Hrsg.): Strukturpolitik im ländlichen Raum (Festschrift zum 65. Geburtstag von H. Röhm), Stuttgart 1978. S. 123 - 133.

THOBEN, CHRISTA: Strukturdiagnose in der Marktwirtschaft, Schriftenreihe des rheinisch - westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Essen. Heft 40. S. 26 - 29.

WEISBARTH, INGE: Bildungs- und Beschäftigungssystem im Wandel. Europäische Hochschulschriften, Reihe V: Volks -und Betriebswirtschaft. Frankfurt am Main 1983; S. 105-116.

WILLEMS, MANFRED: Strukturpolitik, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Band 2, 2. Auflage, München 1985; S. 363 - 399.

Anhang II

Tabelle 1:Die allgemeinen Kennzeichen der Übergangsperiode


Quelle: Fourastié, Jean: Die große Hoffnung des zwanzigsten Jahrhunderts. 3. Auflage, ins Deutsche übertragen von B. Lutz, Köln/Deutz 1954, Seite 279.



Anhang III

       Tabelle 2
Quelle: Fourastie, Jean: Gesetze der Wirtschaft von morgen. 1. Auflage ins Deutsche übertragen von Hildegard Krage. Düsseldorf und Wien 1967; S. 29.



Diese K1assifizierung begründet Fourastié wie folgt: Obwohl. der Bedarf der Menschheit an Nahrungsmitteln am stärksten ist, tritt dort eine Saturierung am ehesten ein, weil wir eben, wie er bildhaft beschreibt, nur einen einzigen Magen haben. Mit einer Saturierung bei den Produkten des sekundären Sektors ist so bald nicht zu rechnen, denn um sie auszuwerten, braucht der Mensch sie nicht erst anzuverwandeln.

Die Produkte und Dienstleistungen des tertiären Sektors sind nicht so lebensnotwendig; sie werden jedoch von den Bevölkerungsgruppen mit hohem Lebensstandard immer mehr gefragt. Sie befriedigen den Bedarf an Freizeittätigkeiten (wie z.B. Theater, Schauspiel, Kunst, Tourismus) oder schaffen eine bessere Organisation und Ablauf der wirtschaftlichen Tätigkeiten (wie z.B.. Dienstleistungen im Handelsverkehr, im Bereich der Industrie und des Unternehmens). Zum Teil sind sie auch für die primäre und sekundäre Produktion unersetzlich (wie z.B. Bildungswesen, Forschung, Verwaltung).


Anhang IV



Abb. 2: Die Übergangsperiode (Entwicklung der Beschäftigungsstruktur)




Abb. 3

Entworfen und gezeichnet von Jean Fourastié: Die große Hoffnung des zwanzigsten Jahrhunderts, 3. Auflage, ins Deutsche übertragen von B. Lutz. Köln/Deutz 1954, Seite 135 f.

Anhang V

Tabelle 3: Veränderungen in der Verbrauchsstruktur unter der Wirkung steigenden Einkommens (Preußen, 1860)


Tabelle 4: Verbrauchsstruktur der einzelnen Einkommensschichten (USA, 1929)
Quelle: Fourastie, Jean: Die große Hoffnung des zwanzigsten Jahrhunderts, 3. Auflage, ins Deutsche übertragen von B. Lutz, Köln/Deutz 1954; Seite 85 f.

[1] Willms, Manfred: Strukturpolitik, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und
      Wirtschaftspolitik, 2. Auflage München 1985; S. 363.
[2] Niehans, J.: Strukturwandlungen als Wachstumsprobleme, in: Neumark, F.(Hrsg.):
      Strukturwandlungen einer wachsenden Wirtschaft (Schriftenreihe des Vereins für Sozialpolitik,
     Band 30/1), Berlin 1964; S. 19.
  [3] Weisbarth, Inge: Bildungs- und Beschäftigungssystem im Wandel. Europäische
       Hochschulschriften, Reihe V: Volks-und Betriebswirtschaft. Frankfurt am Main 1983; S. 106.
  [4] Vgl. Fourastie, Jean: Die große Hoffnung des zwanzigsten Jahrhunderts; 3. Auflage ins Deutsche
        übertragen von Burkart Lutz, Köln/Deutz 1954; im Vorwort des Übersetzers, S. 16 f.
  [5] Vgl. Fourastie, Jean: a.a.O., S. 127 f.
  [6] Vgl. Fourastie, Jean: Gesetze der Wirtschaft von morgen. 1. Auflage ins Deutsche übertragen von
        Hildegard Krage, Düsseldorf und Wien 1967; S. 25, 30 und 252.
  [7] Fourastié, Jean: a.a.O., S. 28.
  [8] Kuznets, S.: Economic growth of nations. Total Output and production structure. Cambridge/Mass
       1971, S. 111.
[9] Kuznets, S.: a.a.O.

[10] Vgl. Thoben, Chr.: Strukturdiagnose in der Marktwirtschaft, Berlin 1977. Schriftenreihe des
        rheinisch- westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Essen. Heft 40, S. 26.

[11] Vgl. Thoben, Christa: a.a.O., S. 28 f.

[12] Vgl. Fourastié, J.: Die große Hoffnung des zwanzigsten Jahrhunderts. 3. Auflage ins Deutsche
        übertragen von B. Lutz. Köln/Deutz 1954; S. 133 ff.
[13] Lebensstandard eines Volkes ist die Kaufkraft seines Einkommens ausgedrückt in Geld
        (Fourastié, J.: a.a.O., S. 242).

[14] Vgl. Fourastié, J.: a.a.0.: S. 274 ff.

[15] Fourastié, Jean: a.a.O., S. 276.

[16] Vgl. Fourastié, Jean: a.a.O., S. 271 ff.

[17] Dostal, Werner: Bildung und Beschäftigung im technischen Wandel. Beiträge zur 
        Arbeitsmarkt -und Berufsforschung, BeitrAB 65. Herausgeber: Institut für Arbeitsmarkt- und
        Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit, 2. Auflage, Nürnberg 1983. S. 31.
[18] Fourastié, Jean: a.a.O., S. 80 f.
[19] Fourasti6, Jean: a.a.O., S. 138 sowie Fourastié, Jean: Gesetze der Wirtschaft von morgen.
    1. Auflage ins Deutsche übertragen von Hildegard Krage, Düsseldorf und Wien 1967; S. 212.





















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